Foto: Ronald Spratte
Te amo auf spanisch, di amo auf italienisch bedeutet ich liebe dich. Aber welche Liebe ist hier gemeint? Wir Deutschen trennen gern Freundschaft und Liebe. Entweder sind wir befreundet oder in einer Partnerschaft. Und Partnerschaft verbinden wir mit Liebe. Ganz klar! Schwarz und weiß. Keine weiteren Fragen. Amen.
Stop! Ich möchte aus meinen Erfahrungen berichten, dass
dazwischen noch viele leuchtende Farben liegen. Es gibt noch eine Liebe, die
stärker ist als eine Freundschaft, aber doch keine Partnerschaft. Te amo.
In Südamerika habe ich Te amo schätzen gelernt. Zwischen Domi
aus Argentinien und mir entstand eine tiefe und offene Beziehung. Keine
Partnerschaft, aber weit mehr als eine Freundschaft. Das bedeutet, liebevoll
den anderen an einem heranlassen oder dabei gleich an Sexualität zu denken. Ich
glaube, hierin liegt der Schlüssel von Te amo. Natürlich kann man es nicht mit
jedem tun. Es ist ein Geschenk. Und wenn man das Glück hat, Te amo geschenkt zu
bekommen, sollte man den Mut haben es anzunehmen.
Ich lernte Domi bei einem Workshop für Performances kennen.
Wir haben uns gleich gut verstanden. So fragte ich die tolle Tänzerin, ob wir
zusammenarbeiten wollen. Sie sagte sofort JA. Bei den Proben gingen Domi und
ich ganz offen und frei miteinander um. Alles lief von selbst und respektvoll. Ich
habe es sehr genossen. Als wir im Januar 2015 die Performance ONE das erste Mal
aufführten, waren die Zuschauer sehr erstaunt. „Wow, war das toll! So eine
offene und ehrliche Nähe.“ Das war auch der Grund, warum die Jury beim
internationalen Performancefestival 2018 in Sevilla uns den ersten Preis gab.
Domi ging zurück in ihre Heimat und lud mich nach Argentinien
ein. In Buenos Aries liefen wir Hand in Hand durch die Straßen und umarmten uns
überall wie ein Liebespaar. Ganz normal. Te amo halt.
Wenn man für die Zwischenräume von Freundschaft und
Partnerschaft offen ist, darf man Te amo auch in Europa, in Deutschland oder wo
auch immer erleben.
Im Herbst 2016 lernte ich eine deutsche Tänzerin in einem
Cafe kennen. Wir verstanden uns gut und wollten zusammenarbeiten. Bei der
ersten Probe bat sie mich, ihr mein Solostück zu zeigen. Klar gern. Als ich mit
meinem Tanz fertig war, kullerten ihre Tränen. Sie kam auf mich zu und gab mir
einen Kuss auf meine Lippen. Ich war erschrocken und genoss es zugleich.
Was war passiert? Wenn das Herz überläuft – egal, ob aus
Freude oder Trauer – fließen die Tränen. Und wenn das Herz regiert, tun wir
häufig Dinge, wo der Kopf oft nein sagen würde. Aus diesem Aspekt heraus, kann
man Te amo auch als die Sprache des Herzens bezeichnen.
Wer jetzt glaubt, es funktioniert nur zwischen unterschiedlichen
Geschlechtern, der liegt falsch. Ich habe auch viele männliche Freundschaften,
die Te amo Charakter haben.
Graben wir weiter, entdecken wir weitere Erkenntnisse.
In den 1990er Jahren war ich beim CVJM Sachsen-Anhalt
als Jugendleiter tätig. Unter anderem war es meine Aufgabe ältere Mitarbeiter
in den Ruhestand zu verabschieden. Also habe ich eine kleine Feier organisiert.
Und wie das so ist, fragt man, was war das lustigste Erlebnis etc. Auf die
Frage "Was hättest du dir manchmal gewünscht?" antworteten 95% EINE UMARMUNG.
Das hat mich zum Nachdenken gebracht.
Beim Forschen stoß ich auf das Buch "Human
touch" von Rebecca Böhme. Darin untersucht sie wie wichtig Umarmungen und
körperliche Nähe sind. Zwar wird das in Zeiten von Corona nicht gern gesehen.
Trotzdem ist es lebensnotwendig. In ihrem Buch berichtet von einem Experiment
wo Kinder isoliert aufgewachsen und nach wenigen Monaten gestorben sind.
Das Thema „Te amo“ beschäftigt mich weiter. So hatte
ich im April 2019 ein besonderes Erlebnis. Ich saß in der Frauenkirche in
Nürnberg. Meine Begleiter schauten sich die Kirche an. Ich betrachtete für mich
allein den Altar mit dem bunten Fenster. Plötzlich öffnete sich für mich das
Fenster und ich sah eine bunte Wiese. Ein warmer Wind blies mir ins Gesicht und
sagte leise: "Die Welt braucht Zwischenmenschen. Menschen, die mehr sind
als ein Freund und doch kein Partner. Und du hast diese besondere Begabung
mitbekommen.". Dann schloß sich das Fenster wieder. Ich war baff. Hatte
ich eben geträumt? Ich fragte meine Begleiter, ob sie etwas Eigenartiges
bemerkt haben. Ja, es war auf einmal ein warmer Wind. Wow, dann war es doch
kein Traum. Und ich hatte endlich eine Antwort auf meine Frage bekommen warum
ich oft mehr bin als ein Freund.
Wir dürfen Liebe, Zuneigung und Umarmungen zulassen.
Te amo.
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