Freitag, 16. April 2021

Barrieren auf- oder abbauen?

Foto: Sabine Kuhn


 Bei der Ausschreibung der Berliner Förderung Urbane Praxis geht es darum auf Barrieren in der Stadt aufmerksam zu machen. Klingt toll. Also schnell einen Antrag stellen.

 Unsere Idee ist vor defekten Aufzügen eine Aktion zu veranstalten mit Musik und Pantomime, um die Bevölkerung auf das Thema aufmerksam zu machen. Kaputte Fahrstühle bei der BVG sind für Rollstuhlfahrer und Mütter mit Kinderwagen eine große Barriere. Treppe hochtragen wäre eine Variante. Aber mit einem Elektrorollstuhl bleibt einem nur die Möglichkeit, eine andere Station anzufahren mit der Hoffnung, dass der Aufzug dort funktioniert, um von dort über Umwege das eigentliche Ziel zu erreichen. Das kostet Zeit und Nerven.

 Es ist 23.40 Uhr. Der Antrag ist fertig. Schnell hochladen. Denkste. Es kommt die Meldung: „Adresse und Genehmigung vom Spielort fehlen“. Aber wir wissen ja heute noch nicht welcher Aufzug an dem Tag defekt ist. Also kann ich im Antrag weder eine Adresse angeben noch eine Genehmigung vorlegen. Beides wird verlangt, um den Antrag einreichen zu können. Noch 19 Minuten bis zur Abgabe. Schaffe ich das? Wegen meiner spastischen Lähmung ist für mich das Tippen sehr mühsam. Ich überlege noch, ob ich meine Assistentin um Hilfe zu bitten. Doch eh ich ihr das mit meiner undeutlichen Aussprache erklärt habe, ist Mitternacht. Die Uhr tickt fröhlich weiter. Währenddessen sauge ich mir schnell was aus den Fingern und schaffe es gerade noch 30 Sekunden vor Mitternacht den Antrag hochzuladen.

 Ein Antrag für Abbau von Barrieren beinhaltet selbst Barrieren, weil man Angaben verlangt, die man zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch nicht weiß. Daraus resultiert die Frage, wer will oder kann Barrieren abbauen? Will man das überhaupt? 

Montag, 8. März 2021

Gedanken zum Frauentag


Heute ist Internationaler Frauentag. Warum brauchen wir diesen Tag? Sind wir Männer daran Schuld? So traurig es auch klingt, muss ich die Frage mit Ja beantworten. Viele Männer glauben, die Frau sei das schwächere Geschlecht. Deshalb könne man die Frau als Hausfrauen, Dienstmädchen oder Belustigungsobjekt behandeln und sie schlechter bezahlen. Solche Gedanken stimmen mich wütend.

Seit vielen Jahren arbeite ich mit Frauen zusammen. Und meine Beobachtung ist, Frauen sind stärker als Männer, haben ein größeres Einfühlungsvermögen und meistern Abenteuer besser.
Ganz ehrlich. Ohne die Begleitung der Frauen wäre ich heute nicht der Roland, der ich heute bin. Dafür bin ich dankbar. 

Montag, 1. März 2021

Wie hat sich mein Leben durch Corona verändert?

 



Foto: Ronald Spratter

 

Nach 10 Jahren Performances kam es mir gelegen, Zeit zu haben, um etwas Neues zu entdecken und auszuprobieren. Fast zeitgleich lernte ich einen lieben Menschen kennen, der mich mit viel Liebe und Ausdauer in die Welt der Musik hineinführte. Inzwischen staune ich selbst, was ich alles gelernt habe. Ich nehme meine Körper und die Musik anders wahr. Ich bin innerlich ruhig und glücklich.

Der Lockdown erinnert mich an die Zeit, wo ich auf dem Dorf bei meinen Eltern gewohnt habe. Vormittags beschäftigte ich mich irgendwas, nachmittags fuhr ich mit dem Erolli spazieren und am Abend im Internet surfen. So bin ich wieder zur Ruhe gekommen.

Trotzdem hat mich Corona verändert.

Aufgrund meiner Schwerhörigkeit verstehe ich Menschen mit Masken nicht. Der Ohrenarzt hat mir eine Befreiung ausgestellt. Es ist sogar deutschlandweit geregelt, dass Begleitperson von Schwerhörigen von der Maske befreit sind. Aber es wird von Pflegedienst und einigen Leuten ignoriert. Durch das Tragen von Masken fällt sogar die gemeinsame Mahlzeit weg. Ist das der Beginn des Roboterassistenten? 

Zum Glück habe ich nette Menschen gefunden, die meine Situation verstehen. Das stimmt mich froh.

Corona hat es auch geschafft, dass Menschen ihre Gesichtsmasken ablegen. Da staunt man nicht schlecht was für ein Mensch dahinter steckt. So habe ich mich leider von „alten Hasen“ getrennt.

In November musste ich in Quarantäne, weil ich eine Assistentin Corona hatte. Zu Hause bleiben zu müssen, fand ich nicht so schlimm. Aber die Maßnahmen, welche mir vom Pflegedienst auferlegt wurden, haben mir das Gefühl gegeben, unschuldig im Gefängnis zu sitzen.

Sicher müssen wir vorsichtig sein. Keine Frage. Aber man sollte schauen, was ist angemessen.

Auch mein Verhalten beim Einkaufen hat sich verändert. Zum Glück habe ich einen Laden gefunden, wo ich gern einkaufe. Ansonsten bestelle ich alles per Internet. Da fühle ich mich freier.

Corona hat mich auch zu einem anderen Mann werden lassen. Aufgrund meiner Schwerhörigkeit ziehe ich mich immer mehr aus größeren Treffen und Zooms zurück. Es streng meine Ohren zu sehr an. Ich lebe glücklich in meiner kleinen Welt und freue mich, dass ich mich liebe Freunde und Assistenten mich liebevoll begleiten. Das schätze ich sehr.

Dienstag, 16. Februar 2021

Weiblich oder männlich?

Foto: Sabine Kuhn


Viele Menschen sagen, ich arbeite hauptsächlich mit jungen Frauen. Das stimmt auch. Und manche Männer beneiden mich darum. Korrekt.

Ich möchte das Thema gerne näher beleuchten.

Grundsätzlich arbeite ich auch gerne mit Männern. Das macht mir auch Spaß. Doch leider haben viele Männer nicht den Mut mit Menschen mit Behinderung zu arbeiten. Wahrscheinlich sind viele Männer zu stolz. So jedenfalls meine Erfahrungen.

Eine künstlerische Arbeit mit älteren Menschen gibt es leider selten. Ich mag sie sehr, weil sie eine andere Qualität bietet.

Ich muss oft schmunzeln, wenn man meint, ich solle Männer mitnehmen auf Reisen. Meine Erfahrungen zeigen, dass Frauen oft für die Abenteuer besser gewaffnet sind. Und wer mag mit seinem oberflächlichen Blick beurteilen wieviel Weiblichkeit und wieviel Männlichkeit Gott in einem Menschen hingelegt hat?

Und zu guter Letzt habe ich für mich festgestellt, dass die Arbeit mit jungen Menschen mich fit hält. Ich war schon immer vom Herzen Jugendbegleiter. Und das bin ich bis heute geblieben.

Die Arbeit mit jungen Menschen gehört zu mir. Ich würde mir mehr Projekte wünschen mit unterschiedlichen Generationen und Fähigkeiten, damit die Vielfalt bunter wird.